Rassismus im Fall Moster und der allgemeine Umgang damit

Veröffentlicht von Justin Kraft am

Bei Olympia ist Patrick Moster durch eine rassistische Äußerung negativ aufgefallen. Der Sportdirektor des Bundes der deutschen Radfahrer beleidigte Sportler aus Algerien und Eritrea. Seine Entschuldigung im Nachhinein war eher keine. Ein Kommentar über den Umgang mit Rassismus.

Wenn wir über rassistische Äußerungen sprechen, schreiben und debattieren, dann ist es ein guter Anfang, sich bewusst zu machen, dass die Reproduktion von Rassismen ein Teil des Problems ist. Wenn Betroffene Vokabeln, Sprüche, Beleidigungen, Diskreditierungen und vieles mehr vielfach lesen oder hören müssen, kann das zusätzlichen Schaden bei ihnen anrichten. Außerdem ist es schwerer, Rassismen zu entnormalisieren und aus dem gesellschaftlichen Alltag herauszubekommen, wenn sie ständig reproduziert werden.

Die Frage danach, warum es sinnvoll sein sollte, beispielsweise einen rassistischen Begriff auszuschreiben, lässt sich meist nur mit Pro-Argumenten beantworten, die die Gefühle der Betroffenen ignorieren oder außer Acht lassen. Aus Sensibilität wird deshalb auch in diesem Text darauf verzichtet, wiederzugeben, was Patrick Moster sagte, um den deutschen Radfahrer Nikias Arndt anzufeuern.

Stattdessen geht es mir viel mehr darum, wie wir und Leute wie Moster damit umgehen. Aus Sicht des Sportdirektors lässt sich ganz klar sagen: Er hat fast schon typisch darauf reagiert. Statt ernsthaft zu reflektieren und die Ursache für seine vermeintliche Entgleisung zu suchen, hat er versucht, sich zu rechtfertigen. „Im Eifer des Gefechts“, „in der Wortwahl vergriffen“ und „wir haben selbst viele Bekannte mit nordafrikanischen Wurzeln“ sind Phrasen aus dem Ein-mal-eins-Baukasten eines privilegierten Menschen, dem Rassismus vorgeworfen wird oder bei dem Rassismus faktisch festgestellt wurde.

Newsletter

Ich sende keinen Spam! Erfahren Sie mehr in meiner Datenschutzerklärung.

Der Fall Moster: Rechtfertigung statt Einsicht

Der Fachbegriff dafür ist „Nonpology“. Also eine Entschuldigung, die nicht darauf abzielt, das eigene Fehlverhalten zu reflektieren und sich aufrichtig einzugestehen, dass da tief verankerte, rassistische Denkmuster im Spiel sind, sondern eine, die nur Rechtfertigung und das Verteidigen des eigenen Images im Sinn hat. Es geht also nicht primär um die Opfer der Beleidigung, sondern nur um die eigene Person.

Psychologisch ist das relativ simpel zu erklären: Moster fühlt sich angegriffen, weil er sich selbst nicht als Rassist sieht. Rassismusvorwürfe sind für uns weiße Menschen oft mit einer derartigen Bedeutungsschwere belastet, dass unsere erste Reaktion in der Regel nicht die Selbstreflektion ist, sondern eine Trotzreaktion. „Ich ein Rassist? Niemals! Ich bin sogar mit Ausländern befreundet.“

Stattdessen sollten wir aber einen Schritt Abstand nehmen und den Vorwurf nicht als Angriff auf unsere Person werten. Wer als weißer, privilegierter Mensch behauptet, nicht mindestens ein wenig rassistisch zu sein, lügt sich in den überwiegenden Fällen selbst an. Die große Mehrheit von uns wurde in einer rassistischen Gesellschaft sozialisiert. Wir tragen Denkmuster, Vokabeln und Handlungsweisen in uns, die aus der Geschichte der Kolonialisierung heraus tief in unserer Gesellschaft verankert wurden. Es ist also gar nicht ein so außergewöhnlicher Vorwurf, wenn bei uns Rassismus festgestellt wird.

Wichtig ist der Umgang mit den eigenen Rassismen

Dazu zählen übrigens auch strukturelle Themen und das, was wir im Alltag nicht tun. Setze ich mich aktiv dafür ein, dass die Situation hinsichtlich struktureller Benachteiligung von BIPoC in unserer Gesellschaft verbessert wird? Habe ich selbst schon mal Rassismen reproduziert oder gar aktiv geäußert? Bin ich mir meiner Privilegien in der Gesellschaft bewusst und nutze sie, um Benachteiligten zu helfen?

Das sind nur drei von vielen Fragen, die man sich zur Selbstreflektion stellen kann. Bei mir persönlich ist die Antwort bei allen drei Fragen klar: Nirgends würde ich auf die Idee kommen, Rassismus von mir zu weisen.

Letztendlich ist die Frage für mich nicht, ob jemand Rassismen in sich trägt und sie womöglich verbalisiert, sondern wie die Person damit umgeht. Zeigt sie sich einsichtig und reflektiert sie, woher das kam und warum das passiert ist, oder versucht sie primär, sich selbst gegen den Vorwurf zu wehren?

Selbsterkenntnis statt Defensivhaltung

Und das führt mich letztendlich auch zum Umgang der Beobachter:innen mit Fällen wie jenem von Moster. Die Reproduktion ist der eine Punkt, den ich oben bereits genannt hatte. Der andere ist der moralische Zeigefinger. Es ist richtig und wichtig, das aufzuarbeiten, es scharf zu kritisieren und Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, warum diese Aussagen hochproblematisch sind. Genauso wichtig ist es, Moster mit der Nonpology nicht einfach davon kommen zu lassen. Aktionen fordern immer Konsequenzen.

Zugleich ist es aus meiner Perspektive der falsche Weg, ihn als Rassisten in eine Schublade zu stecken und dort nie wieder herauszuholen. Denn sobald wir Rassismus in eine extreme Ecke schieben, ignorieren wir seine Existenz in der Mitte unserer Gesellschaft und auch bei uns selbst.

Wie ich neulich schon zum Finale der Europameisterschaft schrieb: Rassismus geht uns alle etwas an. Wir, womit unsere weiße und privilegierte Gesellschaft gemeint ist, sollten unsere Defensivhaltung ablegen und es zulassen, Rassismus bei uns selbst zu erkennen. Das ist für mich der erste und wichtigste Schritt auf dem langen Weg im Kampf gegen Rassismus.

Weiterführende Literatur und Links:

EXIT RACISM von Tupoka Ogette
Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten von Alice Hasters
Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
Instagram-Account “erklaermirmal”
Instagram-Account “wirmuesstenmalreden”
Instagram-Account “black_is_excellence”
Kolonialismus wird in der Schule kaum behandelt – swr
Englands Nacht der rassistischen Schande – n-tv
Musa Okwonga: ‘Boys don’t learn shamelessness at Eton, it is where they perfect it’ – theguardian
Deutschland Schwarz Weiß – Noah Snow
Why We Matter – Emilia Roig
Schwarze Adler – Wie rassistisch ist der deutsche Fußball? – ZDF




Justin Kraft

Quereinsteiger im Bereich Sportjournalismus. Blogger, Podcaster, Autor. Taktik-, Team- und Spieler:innenanalysen sowie Spielberichte zählen zu meinen Kernkompetenzen. Mein Antrieb ist es, die komplexe Dimension des Spiels zu verstehen und meine Erkenntnisse möglichst verständlich weiterzugeben. Journalistisch. Analytisch. Fundiert.

0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar placeholder

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert